Szeklerland, Herz von Europa

Text: Katalina Farkas

Szeklerkinder, ungarische Kinder, rumänische Kinder

Bislang haben wir meist Letzteres verwendet, wenn wir über die Kinder des Dorfes geschrieben oder gesprochen haben. Das ist nicht falsch, denn jeder hier hat einen rumänischen und einen ungarischen Pass – bis auf die Roma, die oft gar keinen haben. Zugehörig fühlen sich die Menschen hier aber eher den Ungarn. Sie sind Szekler-Ungarn, szekely-magyarok (sprich: szekeij-modjorok), die in Siebenbürgen leben, das sie erdély (sprich: ärdeij, mit gerolltem r) nennen. Erdély liegt im südlichen Karpatenraum des Landes und wird von drei ethnischen Gruppen bewohnt: Rumänen, Szeklern und den Siebenbürger Sachsen. Siebenbürgen ist in mehrere Regionen unterteilt; die Szekler leben in Harghita, dort, wo auch das Basketballcamp stattfindet.

Dokumenten zufolge siedelten die Szekler bereits im neunten Jahrhundert in der Region, die sie zum Herz von Europa, wenn nicht gar zum Herz der Welt erkoren – geschützt von den Karpaten, reich an fruchtbaren Böden, Bodenschätzen und Süßwasserreserven. Eingewandert waren sie aus dem fernen Osten, dort, wo man eben auch die Wurzeln der Ungarn vermutet, im Gebiet der heutigen Mongolei. Die Geschichtsschreibung der Szekler besagt, dass sie das Land lange vor den Rumänen bewohnten – wie so oft existieren jedoch auch hier alternative Antworten auf die Frage, wer denn nun zuerst da war.

Okay, dann sind Szekler also Ungarn?

Nicht ganz. Glaubt man Gabor, dem Vater von Evi – einem Szekler-Magyaren – der uns dankenswerterweise eine kleine Nachhilfestunde in Geschichte gegeben und traurige aber auch weise Anekdoten aus der Zeit des Kommunismus erzählt hat, sehen sich Szekler und Ungarn eher als Brüder. Nach der ungarischen Staatsgründung im Jahr 1000 n. Chr. wurde Erdély von Ungarn anerkannt und unterstützt – wahrscheinlich vor allem darum, weil es als Puffer gegen die nach Norden drängenden Türken wirkte und gleichzeitig die vom Nord-Westen eindringenden deutschen Stämme abhielt. Auch heute stehen noch viele Trutzburgen in der Region – nicht umsonst wird Erdély auch liebevoll-spöttisch als „Ritter am Rand“ bezeichnet.

Im Zuge der politischen Umwälzungen in Europa sah sich auch Erdély wegen seiner strategischen Lage immer wieder politischen Übergriffen ausgesetzt – vielleicht ein Grund dafür, dass die Region fortan besonderen Wert auf Autonomie legte und bereit war, finanzielle Tribute zu zollen, um diese zu wahren. Unabhängigkeit kann teuer sein.

Wie ist denn jetzt die Verbindung zu Ungarn?

Leider eine Frage, die sich nur mit einem historischen Rundumschlag beantworten lässt. Im 10. Jahrhundert schloss sich die Region dem Königreich Ungarn an, dass sich damals von Dalmatien über die Slowakei bis zur Karpatenukraine erstreckte. Innerhalb des großungarischen Reiches erfreute sich die Region relativer Autonomie und politischer Macht. 1914, in den Wirrungen des Ersten Weltkriegs, kämpfte die Region an Seite Österreich-Ungarns. Der Ausgang des ersten großen Schlacht des 20. Jahrhunderts ist bekannt, Ungarn wurde auf ein Drittel seiner ursprünglichen Größe geschrumpft. Dutzende Gebiete mussten abgegeben werden, unter anderem Erdély – Siebenbürgen. Seitdem gehört das Gebiet zu Rumänien. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Region geteilt. Die Siebenbürger Sachsen wurden in die Politik der Nationalsozialisten eingebunden, die Szekler Ungarn zugeschlagen. Auch hier ist der Ausgang bekannt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Erdély wieder rumänisch. Die zuvor dominanten deutschen und ungarischen Gruppen wurden zunehmend marginalisiert. Während es zwischen Rumänen und Szeklern über die Jahre hinweg die ein oder andere Reiberei gab, wurden die großen Probleme jedoch später durch die Regierung verursacht, wenn man Evis Vater glauben schenkt. Über die wollen wir jedoch an anderer Stelle schreiben, sonst wird der historische Exkurs doch zu ausschweifend.

Also, noch mal in Kurzform

Die Menschen, die in Bögöz leben, sind Szekler. Sie haben einen rumänischen Pass, sehen sich als Brüder und Schwestern Ungarns, legen jedoch großen Wert auf kulturelle, geistige und politische Autonomie. Bögöz ist der ungarische Name des Dorfes, der rumänische lautet Mugeni. Wir verwenden Bögöz, wenn wir über das Dorf schreiben, weil es der Name ist, den die Einheimischen benutzen, wenn sie von ihrer Heimat sprechen. Bei der Bezeichnung der Bürger waren wir bislang nicht ganz so konsequent, haben meist sogar von rumänischen gesprochen – eine Tatsache, die die Leser aus Bögöz hinnehmen, aber vereinzelt immer wieder kommentieren. Also werden wir fortan nur noch von ‚Szeklerkindern‘ sprechen – und manchmal, aus nicht ganz uneigennützigen stilistischen Gründen, ‚ungarische Kinder‘ verwenden. Ist abgesprochen, versprochen.