Ein Blick hinter die Kulissen: Begegnungen mit den Roma von Kisgalambfalva

Written by Valts Rozentāls

Bögöz begrüßt uns mit einem wunderschönen Tag. Die Sonne wärmt bereits den Boden, in den schattigen Stellen ist das Gras noch feucht und angenehm erfrischend. Mehr braucht man nicht, um aufzuwachen, als einen schnellen Spaziergang über das Basketballfeld und das warme Sonnenlicht. Wenn es auch noch etwas Kaffee gibt, ist alles perfekt. Seltsamerweise ist diese Gruppe schon wach, und wir müssen sie nicht aufwecken. Dieses Muster wird sich die ganze Woche über fortsetzen. Ich glaube nicht, dass wir jemals eine Gruppe hatten, die von selbst so früh aufgewacht ist. Eigentlich meinten sie, das Training wäre viel zu früh am Morgen… man kann es sich nicht erklären.

Das Training läuft ab wie immer. Wir versuchen, die Kinder aus München und Bögöz durchzumischen, damit die Bögözer die Münchener Kindern imitieren können und wir uns etwas Übersetzung ins Ungarische sparen können. Das Niveau ist seit letztem Sommer gestiegen und die lokalen Kinder verstehen mehr und holen schneller auf. Eine weitere erfreuliche Beobachtung ist, dass dieses Mal mehr Kinder dabei sind, die Englisch verstehen und sprechen – was die Kommunikation für uns leichter und effizienter macht, da unser Ungarisch wirklich nicht so gut ist.

Dann teilen wir uns auf und Sandy und ich fahren nach Kisgalambfalva (Kleintaubendorf), um die örtliche Turnhalle zu erkunden. Wir wollen etwas Zeit und Materialien investieren, um die Körbe an den Wänden zu montieren und einige Linien auf dem Boden in Form eines (kleineren) Basketballfeldes zu markieren. Durch Rumänien zu fahren ist immer ein kleines Abenteuer. Diesen Sommer – Straßenarbeiten. Ich nehme an, es hängt davon ab, ob sie ein Budget für den Straßenbau bekommen, daher gibt es alle paar Kilometer Baustellen. Das macht uns natürlich etwas langsamer.

Als wir in Kisgalambfalva ankommen, steigen wir aus und das Erste ist, den Schlüssel für die Turnhalle zu holen. Hier glänzt die kleine Gemeinschaft wirklich – das Personal der Schule hat den Schlüssel im nahegelegenen Kiosk neben der Einrichtung gelassen. Einfach gehalten. Wir betreten alsi die Halle und begutachten die Räumlichkeiten. Sie ist nicht mehr neu. Einige Linien auf dem Boden fehlen, einige sind komplett verschwunden. Wände und Ausstattung sind abgenutzt und beschädigt. Der Lagerraum ist voll mit zufälligen Dingen, die man nicht wirklich mit einer Sporteinrichtung in Verbindung bringen würde. Wir können nicht alles fixen, aber wir können einige Dinge verbessern. Wir inspizieren die Wände, an denen wir die Körbe befestigen wollen. Ich habe einige hochwertige Schrauben mitgebracht – die sollten gut halten, solange niemand an den Körben hängt und sie herunterreißt. Wir nehmen grob Maß und kommen zu dem Schluss – es wird nicht perfekt, aber gut genug für die Bedingungen, in denen wir arbeiten.

Während unseres Besuchs kamen einige Kinder auf uns zugerannt und riefen „Sandy, Sandy!“ Das sind Roma-Kinder, die in dieser Turnhalle trainieren, die wir versuchen in Schuss zu bringen. Zunächst waren es ein paar Kinder, dann kamen noch einige dazu und schließlich hatten wir innerhalb kurzer Zeit etwa zehn Kinder unterschiedlichen Alters um uns herum. Eine größere Schwester trug ein kleineres Kind, und alle wollten auf unseren Arm oder wenigstens an ihm hängen. Für mich ist das etwas zu viel Körperkontakt – diese Kinder versuchen, all die Liebe zu geben oder zu zeigen, die sie können. Nach einer Weile muss ich meine „Grenzen“ setzen. Diese Begegnung lässt mich nachdenken und selbst jetzt kann ich dieses Erlebnis und das, was ich in diesem Moment gefühlt habe, nicht richtig beschreiben. Ich sah leuchtende Gesichter, die größten lachenden Gesichter und strahlendes Glück. Sie wollen einfach nur Teil dessen sein, was gerade passiert. Dazugehören. Und ich denke, es scheint wahr zu sein (als Erwachsener sehe ich es jetzt anders) – egal wie und unter welchen Bedingungen wir aufwachsen, die meisten von uns werden ihre Kindheit hauptsächlich als einen glücklichen Ort in Erinnerung behalten. Aber jetzt ist es Zeit weiterzumachen.

Sandy hat Kontakt zu jemandem von der Schule aufgenommen, um sicherzustellen, dass wir morgen nicht allein in der Turnhalle stehen – alles ist geklärt. Die einzige offene Frage betrifft den Handwerker, der morgen kommt, um uns zu helfen. Wir wissen nicht – Ist er gut? Hat er das richtige Equipment dabei? Elektrowerkzeuge? Eine ausziehbare Leiter? Ich gehe davon aus, wir werden es morgen früh erfahren…

Wir lassen den Schlüssel wieder im nahegelegenen Geschäft und machen uns auf den Weg.

Sandy möchte durch „Wild-Galambfalva“ fahren, wo die ausgeschlossenen Roma leben. Ich bin jetzt seit vier Jahren bei diesem Projekt dabei und war noch nie in einer dieser Roma-Gemeinden. Dies ist ein Ort außerhalb und zwischen zwei Dörfern (Kisgalambfalva und Nagygalambfalva) auf einem kleinen Hügel, neben einem kleinen „Târnava Mare“ (rumänisch oder „Nagy-Küküllő“ auf Ungarisch) Fluss. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Bis jetzt hatte ich nur einen vagen Eindruck von einem der ersten Berichte im Blog von Basketball Leben und einigen Geschichten von Sandy und Miriam.

Was ich sah, ähnelt dem, was in Naturdokumentationen über abgelegene Stämme in den tiefsten Ecken der Welt gezeigt wird. Sehr weit weg. Ein anderer Kontinent, eine andere Welt.

Aber hier bin ich, und sehe diese Szene, die sich mir beim Vorbeifahren entfaltet. Sie sieht so weit weg aus, aber doch so nah… Und ich sehe: keine Kommunikationseinrichtungen – kein sauberes, fließendes Wasser, keine sanitären Anlagen, keine Elektrizität, keine Einrichtungen oder Heizung. Die Häuser (wenn man dieses Wort überhaupt verwenden kann, ich würde sie eher als Hütten beschreiben) sind einfache „Würfel“ mit Holzrahmen und Wänden, die mit dem gefüllt sind, was die Bewohner auftreiben konnten. Es könnte Holz oder Holzplatten sein, vielleicht gepresste Kartons und etwas Putz. Die meisten Gebäude haben eine Art Dach, viele haben keine Ziegel. Wir werden nicht anhalten und genauer hinsehen – es könnte gefährlich werden, wenn wir es allein machen, nur wir zwei. Es muss nicht, aber es könnte. Ich sehe nicht wirklich Gefahr, aber ich möchte es auch nicht herausfinden.

Die Menschen befinden sich entweder zwischen den Gassen, auf dem nahegelegenen Feld oder am Fluss. Die Szene am Fluss zeigt, dass er für alle und alles genutzt wird: um sich selbst zu waschen, um ihre Pferde oder andere Tiere zu waschen, wenn sie welche haben, um ihre Kleidung und ihr Geschirr zu reinigen. Man sieht viele Kinder herumstehen, vielleicht sich selbst überlassen. Ich stelle mir vor, dass andere Regeln gelten – wenn man ältere Geschwister in der Nähe hat, reicht das. Erwachsene müssen ihren erwachsenen Pflichten nachgehen. Bereitstellen, was und wie sie können.

Was mich am meisten schockiert, ist, dass wir uns nicht in einem abgelegenen Teil der Welt befinden, dutzende oder hunderte Kilometer von der Zivilisation entfernt, wo man solche Bedingungen erwarten würde. Wir sind mitten in Osteuropa. Europäische Union. Und Rumänien ist seit 2007 Mitglied.

Das ist vielleicht die Vorstellung, die ich nicht begreifen kann. Sie leben zwischen zwei Dörfern mit notwendigen Kommunikations- und Versorgungsdiensten. Und sie sind dort, weil niemand bereit ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Und sie bleiben, wie sie sind, weil es so ist – ein Teufelskreis.

Man sagt – aber sie werden dies oder das nicht tun. Bildung könnte helfen, aber die Kinder kommen nicht zur Schule. Letten haben ein Sprichwort: „Ein zufriedener Mensch wird einen hungrigen Menschen nicht verstehen.“ Und das ist die Einstellung gegenüber den Roma. Sie werden miss- oder nicht verstanden. Wenn ich diese Szene betrachte, sehe ich nur, dass sie eine Atempause brauchen. Eine Chance, ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen. Erst dann kann man den Kopf heben und andere Möglichkeiten sehen. Und wir haben gesehen, dass das in diesem Projekt passiert – in dem Moment, in dem die Menschen in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen, können sie ihren Kopf heben und sehen, was um sie herum geschieht. Das ist der Moment, in dem sie lernen und sich entwickeln können. Das ist der Moment, in dem sie den Teufelskreis durchbrechen.

Der Rest des Teams bleibt mit den Kindern zurück und erkundet Bögöz unter der Leitung von Szili und Dora.

Da ich nicht dabei war, um die Geschehnisse zu beobachten, hier die Kommentare, die freundlicherweise von Miriam und Nadine bereitgestellt wurden.

Miriam:

„Es war cool! Die beiden haben großartige Arbeit geleistet. Szili sprach über seine Stadt, Traditionen und andere zufällige Informationen. Und Dora hat für uns übersetzt.

Die Stimmung war großartig. (Als Gruppe haben wir vorbeifahrenden Autos zugejubelt) Viel Lachen, viele Gespräche.

Die Hängebrücke war, wie immer, ein Highlight für die Deutschen. Aber nicht nur für sie, auch für unsere Gäste aus Kis- und Nagygalambfalva.

Oh, und die Störche mit ihren riesigen Nestern sorgten ebenfalls für viele „ohh“-Momente bei den Kindern aus München. Als Antwort fingen die Rumänen an, ein Kinderlied über Störche zu singen.“

Nadine:

„Im Allgemeinen war es super süß, wie Szilli es gemacht hat. Er war sehr stolz darauf, verantwortlich zu sein und uns sein „Kiez“ zu zeigen und immer darauf zu achten, dass wir niemanden verlieren und die Gruppe zusammenbleibt. Dora war die Übersetzerin und hat auch einen FANTASTISCHEN Job gemacht.“

Nach all dem trafen wir uns alle wieder im „Inn the Barn“ zum gemeinsamen Mittagessen. Danach hatten die Jugendlichen etwas freie Zeit, um ihre ersten Erfahrungen und Begegnungen untereinander zu teilen und sich besser kennenzulernen. Dieses Jahr haben sie sich wirklich schnell zusammengefunden, vielleicht lag es daran, dass einige Kinder von beiden Seiten sich schon kannten. Vertraute Gesichter erleichtern das Miteinander.

Dann war es Zeit für das „Sommerfest“ mit Basketball, Spikeball, Wikinger-Schach und Zirkusspielen, die von Johannes präsentiert und unterrichtet wurden. Einige Snacks nebenbei und es wurde ein aktiver und angenehmer Abend – alle zusammen, da auch Eltern und andere Menschen aus der Gemeinde eingeladen wurden.

Wie üblich endete der Abend mit Abendessen, Duschen, Haushaltsaufgaben und Feedback. Dann war es Zeit fürs Bett – morgen erwarten uns weitere Abenteuer.