Die großen Spiele

Es geht ums Werfen beim Basketball. Ums Passen, Dribbeln, Laufen, Freimachen, Verteidigen, Rebounds holen. Aber das beste Team ist nichts, wenn der Zusammenhalt nicht stimmt. Die Kommunikation auf dem Spielfeld zählt, das Verständnis der Spieler untereinander, für die eigenen und gemeinsamen Stärken und Schwächen.

Um genau diesen Zusammenhalt und die Kommunikation innerhalb des Teams drehte sich der heutige Tag – und natürlich, wie könnte es anders sein, auch um die Freude am Spiel. Neben dem Training standen heute also „die großen Spiele“ auf dem Programm – 14 insgesamt, die die Kids in fünf Teams bewältigen mussten. Zugegeben, ganz so ernst und konzentriert wie sonst manchmal auf dem Spielfeld ging es nicht zu, dafür eignen sich Spiele wie Papierflieger basteln, Penne mit einer im Mund gehaltenen Spaghetti aufsammeln oder sieben Luftballons zu acht über eine Strecke von zehn Metern zu transportieren – ohne die Hände zu benutzen – einfach nicht.

Aber sie setzen voraus, dass man miteinander kommuniziert, auch wenn man die Sprache des Anderen nicht einmal ansatzweise versteht. Das ging natürlich nicht ganz reibungslos, vor allem, weil einige Aufgaben danach verlangten, erst einmal in Ruhe analysiert zu werden. So sah die Aufgabe, mit allen Teammitgliedern durch ein von uns aufgebautes Netz zu klettern, auf den ersten Blick fast zu einfach aus – wäre da nicht die Einschränkung gewesen, dass jedes Teammitglied jedes Feld nur einmal benutzen durfte. Blöd, wenn die Kleinen durch die untersten Felder schnell auf die andere Seite kletterten, und die Großen auf der anderen Seite zurückblieben. Schlauer wäre es gewesen, die Kleineren erst einmal durch die oberen Felder zu heben – auf diese Strategie konnten sich leider nicht alle Teams verständigen.

Für besonders viel Spaß sorgten die Spiele, in denen Wasser von A nach B transportiert werden musste. Zum Beispiel, in dem es von einem Becher in den nächsten gegossen wurde. Der Clou: Der „Einschenkende“ musste den Becher auf dem Kopf halten, der am Boden liegende „Empfänger“ auf der Stirn. Kein Wunder, dass alle Nass waren, bevor der Regen einsetzte.

Die Ruhe, die sich einstellte, während die Kids Schutz vor dem Regen suchten, nutzten die Erwachsenen übrigens nicht zum Ausruhen – sondern zum Basketballspielen.

 

Ankommen

Wie sieht Bögöz aus, wenn man es zum ersten Mal sieht? „Hier gibt es nur Wohnhäuser“, sagt Theresa schulterzuckend, „und gar keine Läden, in denen man einkaufen kann“. „Aber die Landschaft ist total schön“, beteuert Charlotte, „und die vielen Tiere sind es auch“. Wohnen wollen die beiden hier nicht – aber spannend finden sie es schon.

Um ehrlich zu sein: Charmant sieht Bögöz aus, spektakulär ist es nicht. Kleine Häuser säumen die Straßen, bunter Putz blättert von den Fensterläden, öffentliche Gebäude gibt es tatsächlich nur wenige. Eine Schule, einen Supermarkt, eine Kneipe. Eine kleine Kirche, die nicht wirklich oft von Touristen besucht wird. Der Bahnhof ist kaum mehr als ein schmaler Asphaltstreifen neben den Schienen, stünde das Schild nicht dort, man könnte ihn glatt übersehen.

In diesem Jahr sind viele dabei, die Bögöz am Sonntag zum ersten Mal gesehen haben. Für sie ist alles neu. Die Kirche, der Supermarkt, der Nicht-Wirklich-Bahnhof. Wieder andere haben das Dorf im vergangenen Jahr kennengelernt, vor zwei Jahren oder vor mehr als einem Jahrzehnt. Wir wussten was uns erwartet. Irgendwie. Denn auch für uns ist alles neu. Wenn wir eines in den vergangenen Camps gelernt haben, dann ist es, dass immer alles anders kommt als gedacht. Nichts ist vorhersehbar. Das Wetter ebenso wenig wie die Gruppendynamik, der rumänische Busfahrplan schon gar nicht. Insofern erwartet auch uns viel Unbekanntes. Auch wir sehen Bögöz in diesem Jahr gewissermaßen zum ersten Mal.

Wir sind gespannt, wie es aussehen wird.

Tag 1 – passen, rennen, plantschen

Ein langer, anstrengender und doch unglaublich aufregender erster Tag geht vorbei. Hier sind unsere Eindrücke:

Same same, but different – ein Wiedersehen

Basketball Leben_DSC2071Wir sind zurück in Bögöz, und es ist genau so schön und aufregend wie eh und je. Empfangen wurden wir, wie im vergangenen Jahr, von Irenke und ihrer Tochter Evi, die Besitzerinnen der kleinen Pension, in der wir wohnen. Sie hatten schon im Vorfeld alle Hebel in Bewegung gesetzt, um uns unterzubringen – die Unterkunft ist eigentlich nicht für so viele Gäste ausgelegt. Und unsere Gruppe ist gewachsen, weil dieses Jahr ein paar mehr erwachsene Helfer mit dabei sind – das Projekt wächst, immer wieder finden sich neue Menschen, die von Basketball Leben begeistert sind und vor Ort helfen wollen. Die Zimmeraufteilung verlief jedoch überraschend unproblematisch; vielleicht vor allem darum, weil alle nach dem langen Tag, den zwei Flügen und der zweieinhalbstündigen Busfahrt vor allem eines im Kopf hatten (nein, nicht das Essen): Basketball.

Noch bevor die Feuerstelle angeworfen wurde, musste also der neue Platz bestaunt und ausprobiert werden. Wie dribbelt es sich auf dem Asphalt? Sind die Körbe hoch genug? Sind die Linien da, wo sie hingehören? Auch wir, die im vergangenen Jahr die Spenden für das Feld gesammelt hatten, waren aufgeregt: Schließlich kannten auch die meisten von uns den Platz nur von den vielen Fotos.

Jegliche Sorgen, die in den vergangenen Monaten hin und wieder durch unsere Köpfe gegeistert waren, erwiesen sich als völlig unbegründet: Der Platz ist wirklich großartig geworden. Ein rundum solider, gut ausgestatteter Freiplatz, der sich auch locker mit den großen Feldern in München messen kann.

Für den ersten Abend waren die Kinder aus der Nachbarschaft eingeladen worden, mit uns zu essen und zu spielen. Nachdem der Platz sowohl von den deutschen als auch von den einheimischen Kindern einstimmig für echt cool erklärt worden war, konnte das erste Spiel starten – alle gegen alle. Wer den Ball hatte, versuchte ihn in den Korb zu befördern, Regeln, Aufstellungen und Systeme wurden erst einmal ignoriert.

Es fühlt sich gut an, wieder hier in Bögöz zu sein – für die, die bereits im letzten Jahr hier waren, aber auch für die, die Bögöz dieses Jahr zum ersten Mal sehen. Die Sonne scheint, die Zimmer sind gemütlich, und Irenke übertrifft sich wieder mal selbst, was die Verpflegung angeht. Am schönsten aber ist es, die mittlerweile vertrauten Gesichter zu sehen, von Barni, Bálint, Reni, Reka und all den anderen: Fast alle sind wieder dabei, um mit uns Basketball zu spielen, sich auszutoben und zu lernen. Sie wollen nächstes Jahr in der Szeklerliga antreten – es ist also höchste Zeit für ein paar Trainingseinheiten!

In den nächsten Tagen wollen wir nicht nur über das Camp und über die Kinder schreiben, die teilnehmen, sondern auch die vorstellen, die das Camp überhaupt erst möglich gemacht werden. Wir haben schon so viel über Irenke, Evi und Imi geschrieben – wir finden, dass es an der Zeit ist, dass auch ihr sie ein bisschen besser kennen lernt. Also bleibt dran – und meldet euch bei uns, wenn ihr Fragen oder Anregungen habt.

Gedanken zum Europa-Tag

Am 9. Mai ist Europa-Tag. Vor 65 Jahren entwarf der Franzose Robert Schuman seine Idee von einem vereinten Europa. Heute steht Europa für offene Grenzen, Grenzkontrollen sind Geschichte. Seit Januar 2014 können auch Rumänen ohne Einschränkungen in der EU reisen und Arbeit suchen. Aber wie steht es um die Grenzen in den europäischen Köpfen?

Wir glauben, dass längst nicht alle Grenzen abgebaut sind. Noch immer werden Arbeiter aus Osteuropa als “Armutsmigranten” abgestempelt, werden Einwanderer aus Rumänien (und Bulgarien) mit Vorurteile und Ressentiments willkommen geheißen. Parteien ziehen politisches Kapital, prognostizieren den Untergang des Sozialstaates und beschwören ein Bild von osteuropäischen Schmarotzern, die sich auf nach Westen machen, um dort auf Staatskosten ein entspanntes Leben zu führen.

Was nicht nur populistisch, sondern auch falsch ist: Die befürchtete Einwanderungswelle ist ausgeblieben. Die meisten Rumänen (und Bulgaren) zieht es nicht nach Deutschland, sondern nach Spanien oder Italien. Viele Zuwanderer aus Rumänien sind hoch qualifiziert, besitzen Master- oder Doktortitel. Die Arbeitslosenquote der Rumänen liegt unter der durchschnittlichen Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung. Rumänen beziehen weniger Sozialleistungen als andere Einwanderungsgruppen, zeigt das Gazelle-Magazin auf – und selbst im gesamten Durchschnitt zahlen Ausländer in Deutschland mehr Steuern, als sie an Sozialleistungen erhalten, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt.

Und was ist mit denen, um die es wirklich schlechter steht? Die keine Schulbildung genossen haben, keinen finanziellen Rückhalt haben, den Zuständen im Heimatland entfliehen wollen? Lisa Caspari schreibt dazu in der Zeit:

Die sogenannten Armutsmigranten von Berlin und Duisburg sind übrigens zum ganz überwiegenden Teil nicht aus kriminellem Ehrgeiz hierher gekommen, sondern weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive haben. Es darf nicht vergessen werden, dass viele von ihnen auch in Deutschland unter menschenunwürdigen Bedingungen leben: Für ein paar Stunden pro Nacht und für viel Geld „vermieten“ ihnen Ausbeuter eine Matratze in abbruchreifen Häusern. Und die Einwanderer müssen auf deutschen Baustellen für einen Hungerlohn arbeiten.

Und was hat das alles mit uns zu tun?

Die Aussagen, mit denen Parteien und Einzelne Ressentiments schüren, fassen in Unwissenheit und Unkenntnis des Einzelnen Fuß, in schlichter Ignoranz oder in Berührungsängsten – hier können wir ansetzen, denn Vorurteile können nur durch Begegnung, Austausch und Kennenlernen überwunden werden.

Wir wollen zum Umdenken anregen. Die Teilnehmer unseres Camps, Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren, gehen unvoreingenommen und mit offenen Augen aufeinander zu. Sie verstehen sich, ohne die Sprache des anderen zu sprechen, sind neugierig, begegnen sich vorurteilsfrei. Wenn sie Fragen haben, fragen sie. Zum Beispiel, warum es in Bögöz Familien gibt, die zu acht in zwei kleinen Zimmern wohnen und trotzdem einen Fernseher haben, oder warum viele Kinder nach der Schule mit ihren Eltern auf die umliegenden Felder fahren und dort arbeiten, statt zu spielen. Wir können diese Fragen nicht immer beantworten. Aber es ist gut, sie immer wieder zu stellen, sich für das Fremde, das Unbekannte, zu interessieren. Wir schaffen mit unserem Austausch eine Begegnung auf Augenhöhe. Wir fangen damit an, die verbleibenden Schranken in Europa abzubauen – und tragen so dazu bei, dass rumänischen Einwanderern auch hier, in Deutschland, weniger Vorurteilen begegnen.