Die Roma in Rumänien: Zwischen Ausgrenzung und Hoffnung.

Die Roma sind in Rumänien eine ethnische Minderheit, die häufig diskriminiert und an den äußersten Rand der Gesellschaft gedrängt wird. Laut offiziellen Zahlen gaben sich bei der Volkszählung von 2021 ca. 569 477 Personen als Roma zu erkennen, also etwa 3,4 % der Bevölkerung. Andere Schätzungen sprechen jedoch von deutlich höheren Zahlen; bis zu etwa 1,85 Mio. Menschen oder ca. 8 % der Bevölkerung. (Quelle)

Viele von ihnen gehören zu den ärmsten und am stärksten diskriminierten Gruppen des Landes. Sie leben oft am äußersten Rand der Gesellschaft; sozial, wirtschaftlich und geografisch. Ihre Siedlungen befinden sich häufig in abgelegenen Gebieten, oft in der Nähe von Flüssen, wo es weder elektrischen Strom noch fließendes Wasser gibt. Die Armut ist extrem. Die Behausungen bestehen meist aus improvisierten Materialien: Müll, Holzresten, Plastiktüten; alles, was sich irgendwie zusammenfügen lässt. 

Ein erhebliches Hindernis ist der Zugang zu Bildung: Viele Roma können weder lesen noch schreiben, wodurch z. B. eine legale Arbeitsmigration ins Ausland erschwert wird; oder sie machen solche Schritte ohne Verständnis der Verträge und Bedingungen. Gyula fragt uns kürzlich:

„Könnt ihr mit meinem Arbeitgeber sprechen? Wir wurden nicht genug bezahlt.“

Gyula ist 19 Jahre alt. Über solche Ungerechtigkeiten hören wir immer wieder und überall zeigt sich, wie stark die Kinder durch die Lebensumstände belastet sind.

Laut einer gemeinsamen Studie von UNDP, Weltbank und EU-Kommission leben über 70 % der Roma in Rumänien in Armut und über die Hälfte ohne Zugang zu grundlegender Infrastruktur.

In unserem Projekt arbeiten wir in Bögöz mit Roma-Familien, die heute aktiv ins Dorfleben eingebunden sind. Die Kinder besuchen meist die Schule und haben prinzipiell Zugang zu weiterführender Bildung. Doch oft wird dieser Weg nicht eingeschlagen. Mädchen werden früh verheiratet, Jungen sollen arbeiten, um die Familie zu unterstützen.

Gerade für die Mädchen wollen wir neue Perspektiven schaffen. Wir möchten sie stärken, ihren eigenen Wert zu erkennen, Selbstvertrauen aufzubauen und Mut zu entwickeln, eigene Entscheidungen zu treffen; über ihre Bildung und ihren Lebensweg. Durch Workshops, Sportangebote und Gespräche zeigen wir ihnen Alternativen zu den vorgegebenen Rollenbildern auf. Sie sollen erfahren, dass es Wege gibt, die über das traditionelle Muster hinausführen und dass sie das Recht haben, diese Wege zu gehen.

Nach der Schule bieten wir durch unser Afterschool-Programm gezielte Unterstützung für die Kinder. In unserem Nachhilfeprogramm sitzen die Kinder nach der Schule in kleinen Gruppen, lernen, üben und bekommen Unterstützung; manchmal von ihren eigenen älteren Mitschülerinnen und Mitschülern, manchmal von Rentnerinnen und Rentnern aus dem Dorf, die ihre Erfahrung und Geduld einbringen. So entsteht eine besondere Form des Lernens: Die Kinder verbessern nicht nur ihre schulischen Fähigkeiten, sondern lernen auch, Verantwortung zu übernehmen und miteinander zu arbeiten. Dieses Kinder-für-Kinder- und generationenübergreifende Lernangebot soll das Gemeinschaftsgefühl und das Selbstvertrauen der Kinder stärken.

Für viele Kinder der ungarischen Minderheit ist Rumänisch eine Fremdsprache. Ohne die Landessprache zu beherrschen, sind der Zugang zu weiterführenden Schulen und beruflichen Chancen stark eingeschränkt. Unser gezielter Rumänischunterricht hilft, diese Sprachbarrieren zu überwinden, und eröffnet den Kindern die Möglichkeit, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

In Kisgalambfalva begleiten wir eine Romacommunity, deren Kinder seit Einführung der sozialhilferechtlichen Bedingungen vermehrt die Dorfschule besuchen. Es gibt zwei Klassen für rund 40 Kinder im Alter von 7 bis 16 Jahren. Leider werden viele von ihnen frühzeitig aus dem Unterricht genommen, um arbeiten zu gehen.

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist das wöchentliche Basketballtraining mit den Kindern. Es wird angeleitet von Bogi, unserer Sportlehrerin und ehemaligen rumänischen Profibasketballerin. Bogi erinnert sich:

Am Anfang war es eine Katastrophe. Die Kinder spuckten, schrien, zogen sich an den Haaren, schlugen sich – auch mich. Ich hatte Mühe, damit umzugehen. Aber schnell wurde klar: Die Kinder wollen Regeln. Sie sind dankbar, wenn man ihnen Orientierung gibt.“

Heute ist das anders. Die Kinder lernen zuzuhören, zu warten, Emotionen zu kontrollieren und miteinander statt gegeneinander zu spielen.

„Sieh doch, Sandy. Kannst du dich an unser erstes Training erinnern?“ Ich konnte“, erzählt uns Sandy. „Es war sehr laut, chaotisch, intensiv. Heute ist es anders. Begrüßung, Aufmerksamkeit, Respekt und ganz viel Spaß.“ 

Basketball ist dabei nur das Mittel. Es geht um Koordination und Reaktion, soziales Lernen und darum, den Kindern zu zeigen, dass sie gesehen werden. Dass sie zählen. Dass sie eine Zukunft haben. Das sie wichtig sind.