Tag 6 – warme Worte und ein paar Tränen

Anfangs saßen sie noch skeptisch am Rand – am Ende fegten sie selbst wie wild über das Feld: die Eltern der Bögözer Kinder haben unseren Basketballplatz gestern zum ersten Mal gesehen – und waren ziemlich angetan.

Beim BC Hellenen steht es regelmäßig an: das Eltern-Kind-Turnier. Wir wollten diese großartige Tradition auch den Bögözern nicht vorenthalten und hatten dafür den Szeklerkindern bereits am Anfang der Woche aufgetragen, ihre Eltern zum letzten Training mitzubringen, die wiederum etwas zu essen mitbringen sollten. Um ganz ehrlich zu sein: Wir rechneten kaum damit, viele erwachsene Gesichter zu sehen – sei es, weil die Flüsterpost nicht funktioniert hatte, oder, weil die Bögözer vielleicht kein Interesse an dem Sport hatten, den die németek, die Deutschen, mitgebracht hatten.

Umso erfreuter waren wir, als ein Elternteil nach dem anderen eintraf, kleine und große Geschwister im Schlepptau und Gebäck und Kuchen im Gepäck. Fast jedes Kind hatte eine Begleitung dabei! Selbst Katika und Gabi, die beiden Heimkinder, waren nicht alleine da: ihre Heimmutter war da, um sie vom Seitenrand aus anzufeuern, unterstützt von drei ganz kleinen Heimbewohnern und Gabis älteren Geschwistern, die mit ihr im Waisenhaus des Ortes leben. Ihre Eltern haben sie zurückgelassen, um an einem anderen Ort ihr Glück zu finden. Auch über den Besuch von Istváns Mutter Ida freuten wir uns. Im letzten Jahr hatten wir die Roma-Frau, die ein paar Häuser von Irenke entfernt in einer heruntergekommenen Hütte wohnt, besucht. Auch wenn sie damit fast mitten im Dorf lebt, ist sie als Angehörige der Roma immer noch isoliert. Aber sie war da, schüchtern und zurückhaltend, aber herausgeputzt und leise lächelnd. Direkt zu den anderen Eltern setzen wollte sie sich dann doch nicht, aber es wurden ein paar freundliche Worte ausgetauscht. Ein erster Schritt. Wir wünchen uns noch viele dieser Schritte, aber irgendwann muss man schließlich anfangen.

Aber zurück zum Turnier, beziehungsweise zur Seitenlinie, die zu Beginn des Spiels tatsächlich richtig voll war. Zweck eines Eltern-Kind-Turniers ist es aber nicht, einen erwachsenen Fanchor am Spielfeldrand stehen zu haben, und so wurde schließlich einer nach dem anderen aufs Feld komplimentiert. In gemischten Teams traten wir danach in kurzen Spielen gegeneinander an. Eltern, Kinder und Trainer hängten sich mächtig rein, putschten sich gegenseitig auf und überrannten im Eifer des Gefechts schon mal den ein oder anderen Spieler – der Schmerz jeglicher Kratzer und Schürfwunden wurde aber schnell vergessen bei der Freude über das gemeinsame Spiel. Wer schließlich als Sieger vom Platz ging – geschenkt, als Sieger durfte sich am Ende des Tages jeder fühlen.

Nachdem die Kekse und Kuchen – unter anderem ein unglaublich leckeres Salzblätterteiggebäck mit Mohn und Kümmel, könnte uns vielleicht jemand das Rezept zukommen lassen? – verdrückt waren, stand noch ein weiterer wichtiger Punkt auf dem Plan: das Gespräch mit den Eltern der Bögözer Kinder.

Wir – als Spielerinnen des BC Hellenen, aber auch als Mitglieder anderer Sportvereine – wissen, dass ein Verein nur dann funktioniert, wenn die Eltern mitziehen. Es muss nicht immer als Unterstützer bei Fahrten und Turnieren sein (auch wenn diese Stütze mitunter unerlässlich ist!), manchmal reicht es auch, dass Eltern ihre Kinder mental unterstützen – indem sie sich für das interessieren, was sie auf dem Spielfeld treiben, nachfragen, motivieren, zuschauen. Für uns aus Deutschland angereiste mag das selbstverständlich erscheinen, sich ehrenamtlich in einem Verein zu engagieren, ob die Eltern aus Bögöz es genau so sehen würden, wollten wir in dem Gespräch herausfinden. Also erklärten wir. Sandy, Miri, Valerie und Katalina auf Deutsch, Aron auf Ungarisch. Dass die Kinder mit Begeisterung dabei wären, und dass wir schon einige echte Talente entdeckt hätten. Dass wir es ihnen gerne ermöglichen würden, weiter zum Training zu gehen – und dass es dafür Eltern bräuchte, die dies zuließen. Und die Eltern hörten zu. Und nickten zustimmend, immer wieder, insbesondere dann, als es darum ging, was man alles vom Basketball lernen kann. Fairness, Disziplin, Respekt. Als wir uns am Ende des Gesprächs bedankten, wurden wir sehr schnell unterbrochen – von den einheimischen Eltern, vor allem aber von Bálints Mutter, die sich im Namen aller mit einer kurzen Rede für die Möglichkeiten bedankte, die wir ihrem Sohn geben würden.

Für uns – und es ist kaum möglich, diesem Moment mit Worten gerecht zu werden – hatte das, was Bálints Mutter gesagt hat, eine ganz besondere Bedeutung: Sie hat das zusammengefasst, was von Anfang an unser Ziel war – den Kindern von Bögöz eine Perspektive zu geben, ihre Freizeit selbst in die Hand zu nehmen, teil eines Teams zu werden und einen Sport zu erlernen, den auch wir schätzen und lieben. Vielleicht stand dem ein oder anderem auch deshalb die ein oder andere Träne in den Augen, als wir den Worten von Bálints Mutter lauschten.

Es ist uns wichtig zu betonen, dass Basketball Leben Starthilfe sein will. Wir wollen unterstützen, anstoßen, begleiten. Aber wir wollen das Feld langfristig auch in die Hände der Bögözer übergeben. Die Mitglieder des Bögözi Udvar Basketball sollen trainieren können, sich aber auch um das Feld kümmern, es nutzen und pflegen. Sie sollen Turniere ausrichten können, an Turnieren außerhalb teilnehmen, andere Basketballcamps in Rumänien besuchen – wenn sie möchten. Wir von Basketball Leben möchten sie dabei an die Hand nehmen, werden auch weiterhin hier und da ein paar Schuhe verschenken (und möchten den Platz langfristig ja auch überdachen), diktieren möchten wir nicht. Lieber möchten wir gemeinsame Sache mit den Menschen aus Bögöz machen. Wir haben das Gefühl, das haben die Eltern verstanden. Die Kinder natürlich sowieso.